Warum fällt es uns so schwer, nach Hilfe zu fragen?

Wahrscheinlich würde fast jede*r sagen, dass es vollkommen in Ordnung ist, sich Hilfe zu holen. Egal ob es sich um eine Frage im Berufskontext handelt, irgendetwas im Haushalt ist oder ein persönlicher Rat unter Freund*innen. Hilfe ist also gerade in schwierigen Situationen eine wertvolle Ressource.

Damit ist die Sache doch eigentlich geklärt, oder? Trotzdem saß ich vergangene Woche mal wieder zugeschüttet mit Arbeit in meinem Homeoffice. Völlig gestresst und dem nächsten Wutausbruch nahe.

Ich sollte für meinen Chef einige Daten auswerten. Doch leider wollte das Statistikprogramm nicht so wie ich. Ich überlegte meinen Chef, um Hilfe zu bitten. Doch ich zögerte. Er hatte mir mit der Auswertung der Daten, einiges an Verantwortung übergeben und sich darauf verlassen, dass ich ihm die Ergebnisse rechtzeitig zuschicken würde. Ich kam alleine allerdings nicht weiter. 

Es lag also auf der Hand, Arbeit abzugeben, bei Fragen nachzufragen und sich bei Erschöpfung zu melden. Trotzdem wollte ich es unbedingt alleine schaffen. 

Warum fiel es mir trotzdem so schwer nach Hilfe zu fragen? 

Nach einer kleinen Recherche und meinem doch recht nützlichen Psychologiestudium, fand ich ein paar Hinweise für die Erklärung meines Nichthandelns.

1. Soziale Kosten des Helfens

Bitten wir um Hilfe, glauben wir oft, dass es ein Zeichen von Inkompetenz ist. Wenn ich beispielsweise meinen Chef um Hilfe bitte, gebe ich damit zu, dass meine Statistik-Fähigkeiten einfach nicht ausreichen. Gleichzeitig kann es ein Signal der Unterordnung sein und sich ungefähr so anfühlen: “Bitte hilf mir, denn du hast bessere Fähigkeiten, mehr Erfahrung und mehr Ressourcen als ich.” Dazu kommt noch, dass wir uns unselbstständig fühlen können. Wir müssen uns damit eingestehen, dass wir Unterstützung von einer zweiten Person brauchen.

Inkompetenz, Unterordnung und Abhängigkeit sind sozusagen die sozialen Kosten, welche am eigenen Selbstwert nagen können. Vor allem, wenn es uns wichtig ist, einen guten Eindruck zu machen, können diese sozialen Kosten den Vorteilen von Hilfe erst einmal überwiegen. Aus dem Grund fragen wir nicht oder erst spät nach Hilfe.

2. Wir sind auf unsere Helfer*innen angewiesen

Hinzu kommt, dass wir auf jemanden angewiesen sind, wenn wir Hilfe erhalten. Das heißt auch, dass wir ein Stück weit die Kontrolle abgeben. Vielen Menschen fällt es schwer, loszulassen, da wir uns dadurch oft auch ein wenig hilflos fühlen und verletzbar machen. Gerade wenn wir die Person nicht kennen und nur schwer einschätzen können, fällt es uns schwerer, Hilfe anzunehmen.

3. Was Helfen mit Selbstwert zu tun hat

Wir haben im Laufe unserer Entwicklung gelernt, dass wir vor allem Komplimente oder positives Feedback erhalten, wenn wir etwas geleistet oder erreicht haben. So kann es dazu kommen, dass wir eine Verknüpfung zwischen dem Erhalt von Lob und Leistung herstellen. Das macht unseren Selbstwert sehr instabil.

Dazu kommt noch, dass es meist besonders hervorgehoben wird, wenn wir Leistungen alleine erreicht haben. Im Kindergarten, in der Schule oder auch Zuhause: Viele von uns haben vielleicht den Satz gehört: „Das hast du aber gut gemacht und ganz alleine ohne Hilfe. Super!“ Was auf der einen Seite die Autonomie von Kindern fördern soll, kann in anderen Kontexten wie zum Beispiel, nach Hilfe zu fragen eher hinderlich sein. Andere von uns haben gelernt, dass Helfen etwas Gutes ist, aber um Hilfe zu bitten eher egoistisch.

Die Lernerfahrungen sind also vielfältig und können einer von vielen Gründen sein, dass wir eher zögerlich um Hilfe bitten.

4. Das Problem mit der Reziprozität

Reziprozität bedeutet, dass wir positive oder negative Handlungen einer Person in gleicher Weise erwidern. Diese wird auch als soziale Norm verstanden, welche die Stabilität in sozialen Systemen erhöht. Was genau heißt das? Manchmal lehnen wir Hilfe ab, weil wir der Person Nichts schuldig sein wollen.

Wir überlegen was die Motive der Person sein könnten und was sie im Gegenzug für ihre Hilfe von uns möchte. Auch wenn die Person keine Gegenleistung möchte, haben wir oft das Gefühl, Etwas zurückgeben zu müssen. Das kann wiederum negative Gefühle auslösen. Die soziale Norm der Reziprozität kann also dazu beitragen, dass wir lieber nicht um Hilfe bitten.

5. Was kann ich also tun, um Hilfe ohne negative Gefühle anzunehmen?

Es ist gerade in Situationen, in denen wir gut dastehen wollen, wie zum Beispiel bei der Arbeit, nicht so einfach, nach Hilfe zu fragen. Wie wär’s mit einer anderen, positiven Perspektive zum Thema Helfen? Denn dann zeigt sich schnell, dass es uns als Gemeinschaft nur voranbringen kann, wenn wir uns gegenseitig helfen und austauschen.

Sich bewusst zu machen, dass wir nicht alles alleine schaffen müssen und Hilfe annehmen, keine Schwäche ist, verringert Gefühle von Inkompetenz und Schuld. Natürlich wird es immer Situationen geben, in denen es uns nicht leicht fallen wird, danach zu fragen. An dieser Stelle ist es vielleicht doch eine gute Idee, den Helfenden etwas zurückzugeben. 

Wie kann ich meine Dankbarkeit ausdrücken?

Unsere Dankbarkeit können wir in ganz unterschiedlicher Weise ausdrücken: Wir können unseren Helfer*innen bei etwas anderem helfen, wir können uns mit einer Umarmung bedanken (vielleicht jetzt eher weniger), mit einem Geschenk, einer Spende oder auch einfach „nur“ verbal. 

Zwopr: Danke sagen mit Klimaschutz

Auch bei meinem Erfahrungsbericht zu Zwopr habe ich darüber geschrieben, dass es ein bisschen unangenehm sein kann, wenn jemand zu dir nach Hause kommt, um dir zu helfen. Hier spielen die oben genannten Punkte sicher auch eine Rolle. Was ich bei Zwopr allerdings super finde: Durch das Pflanzen der Bäume kann ich sehr wohl Etwas zurückgeben und dabei noch etwas Gutes für die Umwelt tun.

Hilfe sei Dank

Falls sich das jemand gefragt hat: Ich habe meinen Chef doch noch um Hilfe gebeten. Es hat ein bisschen gedauert bis er ein freies Zeitfenster hatte, aber dann konnten wir alle Fragen klären und das Projekt zusammen abschließen. Juhu! 

Quellen 

Amodeo, J. (2014). 5 Reasons why receiving is harder than giving - Allowing yourself to receive more deeply. Psychology Today. Retrieved from https://www.psychologytoday.com/us/blog/intimacy-path-toward-spirituality/201402/5-reasons-why-receiving-is-harder-giving

Hölzl, E. (2021). Reziprozität. In Dorsch Lexikon der Psychologie. Retrieved from: https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/reziprozitaet 

Lee, F. (2002). The Social Costs of Seeking Help. The Journal of Applied Behavioral Science, 38, 17–35. https://doi.org/10.1177/0021886302381002 

Shapiro, E. G. (1980). Is Seeking Help from a Friend Like Seeking Help from a Stranger? Social Psychology Quarterly, 43, 259. https://doi.org/10.2307/3033629

Zurück
Zurück

Wie auch der Job deinen CO2 Fußabdruck verringern kann